Über das Ausmaß der Auswanderung in den ersten 50 Jahren von 1831-1880 gibt folgende auf amtlichem Material beruhende Übersicht Aufschluß (Auszug):
In den 50 Jahren haben somit die Gemeinden Damme, Holdorf und Neuenkirchen 6319 Einwohner hinausgeschickt. Das ergibt einen Jahresdurchschnitt von 126 Personen, mehr als der Weltkrieg jährlich an Opfer von ihnen verlangt hat. Nach 1880 hörte das Abfließen nicht auf; allein die Jahre 1881-1883 brachten weitere 519 Auswanderer. Der Strom stoppte erst in den Weltkriegsjahren, brach dann 1919 erneut wieder hervor und ist seit einigen Jahren zum Stillstand gekommen. Die Gesamtzahl der aus den drei Gemeinden Überhaupt ausgewanderten Personen dürfte die Zahl von 8000 erreichen, wenn nicht gar erheblich Übersteigen. Für die Lokalgeschichte der drei Gemeinden sei die Verteilung auf deren Bauerschaften und für die ersten 20 Jahre, also von 1830 bis 1849, als die Auswanderung noch ihre Ursprünglichkeit besaß, gebracht. Damals gehörten zu den einzelnen Bauerschaften weitere Teile oder Annexen.
Es bestand die G e m e i n d e D a m m e aus folgenden 9 Bauerschaften:
Damme mit Ort, im
Hofe, Nordhofe, Bexadde, auf dem Füsting, im Wempenmoor;
Reselage mit Reselage
und Sierhausen;
Rüschendorf mit
Rüschendorf, Kemphausen, Ihlendorf und Hüde;
Dümmerlohausen
mit Dümmerlohausen und Oldorf (seit 1852 selbständig, bislang
bei Rüschendorf);
Osterfeine mit Osterfeine,
Haverbeck und Bergfeine;
Holte mit Holte, Bokern,
Dalinghausen, Neuenhausen, Saalfeld und Kreye;
Rottinghausen mit
Rottinghausen, Hinnenkamp, Greven und Ossenbeck;
Osterdamme und Borringhausen
lagen geschlossen.
Die G e m e i n d e H o 1 d o r f hatte 3 Bauerschaften:
Holdorf mit Holdorf
und Handorf;
Fladderlohausen, wozu
auch Grandorf, Diekhausen, Grambke, Amtern und Wahlde gehörten;
Ihorst begriff auch
die Hovesaat (Gut Ihorst) in sich.
Die G e m e i n d e N e u e n k i r c h e n hatte
die übliche Vierteilung:
Neuenkirchen mit Ort,
Narberhausen, Westerhausen, Neustadt, Lokenberg, auf der Heide;
Nellinghoff, wozu
auch Wenstrup, Beckerort, Wanstrat, Kronlage und im Bruche gerechnet wurden;
Grapperhausen, dabei
auch Wahlde-Kokenwahlde;
Bieste (oldenburgischer
Anteil) war eine geschlossene Siedlung,
Die von den Bauernvögten hergegebenen Listen wurden auf der Gemeinde
zusammengestellt und ergaben folgendes Bild:
Osterfeine | 325 | Ort Holdorf | 379 | |
Osterdamme | 97 | Ihorst | 159 | |
Reselage | 161 | Fladderlohausen | 368 | |
Holte | 19 | Holdorf Gesamt | 906 | |
Rottinghausen | 225 | |||
Dümmerlohausen | 218 | Ort Neuenkirchen | 312 | |
Rüschendorf | 283 | Grapperhausen | 75 | |
Borringhausen | 229 | Bieste | 73 | |
Ort Damme | 280 | Nellinghof | 230 | |
Damme Gesamt | 1837 | Neuenkirchen Gesamt | 690 |
D e r F a m i l i e n s t a n d d e r A u s w a
n d e r e r.
Die Auszählung auf Feststellung des Familienstandes
der Ausgewanderten aus den Jahren 1831-1855 kann nur auf Grund des vorhandenen
Materials in Listenform geschehen. Sie ist, da es sich um reichlich
4000 Personen handelt, nicht so ganz einfach und wird erleichtert, wenn
für jede ausgewanderte Person die Wanderkarte festgelegt und mit den
zuständigen Kirchenbüchern abgestimmt ist. Die Arbeit ist
in Angriff genommen, doch noch nicht abgeschlossen. So weit sie schon
jetzt einen Überblick gestattet, erhärtet sie, was aus den amtlichen
Übersichten der Jahre 1856-1880 bervorgeht.
(Tabelle 3 nicht dargestellt).
Im Familienverbande wanderten demnach in dem
Zeitraum von 1856-1880 insgesamt 1162 Personen aus gegenüber 1036
Einzelpersonen. Das Verhältnis von 1 : 1 wird sich zugunsten
der Familienwanderung verschieben und dürfte zum mindesten die Vergleichszahl
5: 3 erreichen, Der Grund ist darin zu suchen, daß viele Familien
zunächst Vater, Sohn oder Tochter oder Sohne bzw. Tochter gleichsam
als Kundschafter vorausschickten, die in der Wahlheimat Erkundigungen einzogen
und den Boden für die Nachwanderung der übrigen Familienmitglieder
bereiteten. So heißt es im Bericht des Kirchspielsvogts von
Holdorf für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1846:
"Anton Scherder, Landmann, reist allein;
die Frau Antonette geb. Wiegel bleibt mit einem Kinde noch hier in der
Hovesaat"(A III 7.). Die Nachwanderung erfolgte
1849 im zweitem Halbjahr. An einer andern Stelle liest man: "Ehefrau
Blömer, Familie mit zwei Kindern (Sohn und Tochter) unter 15 Jahren,
Nichtgrundbesitzer, reisten dem Manne und Vater nach, der vor 2 Jahren
(= 1844) nach Amerika auswanderte"(A III 7.).
Vogt Knollenberg aus Neuenkirchen berichtete aus dem selben Jahre: "Ww.
Igelmann, Familie mit Mutter, Sohn und Tochter, alle über 15 Jahre
Nichtgrundbesitzer, nahmen an Geld 100 Rth. mit. Die Witwe Igelmann ist
wohl auf Veranlassung ihres schon vor mehreren Jahren nach Nordamerika
ausgewanderten Sohnes dahin abgereist"(A III 7.).
Diese Beispiele lassen sich vielfach vermehren. Es kommen auch
die umgekehrten Fälle vor, daß ledige Familienmitglieder, die
vorerst noch diemtlich als Knecht oder Magd gebunden waren, nach
Ableistung der Dienstpflicht der vorausgegangenen Familie nachfolgten,
militärpflichtige Söhne warteten den Entscheid der Militärkommission
ab oder gingen erst nach Erfüllung ihrer Militärpflicht hinüberr.
Im ganzen neigt sich die Waagschale entschieden auf die Seite der Familienwanderung,
was auch erklärlich erscheint, wenn man den Gründen der Auswanderung
nachgeht.
In der Zeit von 1856 - 1880 wanderten 279 Familien mit
238 Hausvätern aus. Nicht immer handelte es sich bei den Unterschiedsfamilien
um nachwandernde Frauen oder um Familien mit einer Witwe als Familienvorstand.
Als Familie galten auch Geschwister, die zusammen einen Haushalt gefiihrt
hatten, ihn hier auflösten und gemeinsam auswanderten.
Die Zahl der männlichen Auswanderer überwog
die der weiblichen um reichlich 200 von insgesamt 2200, was vor allem seinen
Grund darin hatte, daß die Zahl der ledigen männlichen Dienstboten
die der weiblichen erheblich überschritt. Innerhalb der Familie
neigte sich das Zünglein an der Waage auf die Seite des weiblichen
Geschlechts, getreu dem Abbilde in der Heimat.
An unverheirateten Personen verließen in den
angezogenen 25 Jahren 968 männliche und 713 weibliche Personen
die Heimat. Sie sind gewiß nur zum Teil im Fremdlande zur Heirat
gekommen, sicherlich aber mehr und eher als hier in der Heimat, weil die
Möglichkeit zur Gründung einer Familie und die Mittel zu ihrer
wirtschaftlichen Sicherstellung leichter gegeben waren. Über
die vermutliche Zahl ihrer Nachkommen können von hier aus Erörterungen
nicht angestellt werden, weil hier jegliche Grundlage fehlt. Die
große Zahl der Deutsch-Amerikaner --von drüben selbst zugegeben
- wird darin ihre Ursache haben. Es ist bestimmt nicht zu viel gesagt,
daß von den heute noch lebenden Nachkommen der Auswanderer der Jahre
1831-1880 allein in Nordamerika die gleichen Gemeinwesen, nach der Bevölkerungszahl
gemessen, aufgebaut werden könnten, wie sie hier in der Altheimat
bestehen.
B e r u f s a u f g l i e d e r u n g d e r A
u s w a n d e r e r.
Über die Berufsaufgliederung der
Auswanderer der einzelnen Gemeinden für die gleiche Zeit von
1856-1880 geben folgende Obersichten Aufschluß. (Tabellen 4, 5
und 6 nicht dargestellt)
Zusammengezogen auf den Amtsbezirk bietet sich dieses Schlußbild:
Höhere Dienste leistende, wissenschaftliche oder
künstlerische Betätigung treibende Personen
= 10 = 0,55ro
Landwirtschaft treibende Personen
= 1421 = 64,5%
Technische Gewerbe treibende Personen
= 120 = 5,5%
Handel und Verkehr treibende Personen
= 52 = 2,4%
Tagelöhner
= 38 = 1,7%
Dienstboten
= 459 = 20,9%
Personen ohne bestimmte Beschäftigung
= 98 = 4,5%
2198 = 100,0%
Das Ergebnis bestätigt schon rein zahlenmäßig
die hervorstechende Beteiligung der landwirtschafttreibenden Bevölkerung
an der Auswanderung. Hinzuzurechnen sind ferner noch die Dienstboten,
die sich zum allergrößten Teile aus der Landwirtschaft
rekrutierten und sich zu ihr rechneten. In den Auswanderungsprotokollen
bzw. Paßblanketts finden sich wiederholt klare Hinweise der Zugehörigkeit,
wenn es z. B, heißt: "Landwirtschaftlicher Gehilfe Ackerknecht",
und in einem Amtsberichte liest man: "Die Knechte und Mägde gehören
der Landwirtschaft an"(A III 8.). Auch die
Klasse der Tagelöhner ist der Landwirtschalt zuzurechnen.
Auffällig ist der verhältnismäßig
hohe Anteilsatz der Personen ohne bestimmte Beschäftigung. Die
Durchsicht der Listen ergibt, daß sich diese Gruppe zusammensetzte
zum Teil aus Studierenden, die auswanderten in der Absicht, im Fremdlande
das Studium billiger fortsetzen zu können; zum Teil waren es alleinreisende
Familienangehörige, zumeist Töchter von Kolonen oder größeren
Grundbesitzern, für die man dar, Wort "Dienstmagd" nicht anwenden
wollte; auch finden sich in dieser Spalte "Subjekte, deren Entfernung
von Gemeinde wegen gewünscht" wurde.
Kein Berufsstand der Heimat blieb von der Auswanderung verschont, jede Gruppe zollte dem Strom ihren Tribut. Amerika lockte.